Die Alarmierung der DRK-Bereitschaften im Jerichower Land erfolgte am Samstag früh. Zu dieser Zeit war gerade ein Bus in Richtung des Jerichower Landes unterwegs. In ihm zirka 60 ukrainische Frauen, Kinder und Männer, die sich vor dem Krieg zunächst nach Rumänien gerettet hatte. Schnell waren genügend ehrenamtliche Katastrophenschützer gefunden, um eine Sporthalle im Stadtgebiet für die Aufnahme von 35 Flüchtlingen vorzubereiten.
Burg | Es war 14 Uhr, als sich 22 Frauen und Männer in ihren rotleuchtenden Westen und Jacken an der DRK-Geschäftsstelle in Burg versammelten. Während viele Bürgerinnen und Bürger die Zeit auf dem Rad oder im Garten verbrachten, begann durch DRK-Regionalverbandsvorstand Andy Martius, bei Sonnenschein die Einweisung aller in die Lage. Kurz darauf folgte die Aufgabenverteilung. Während die einen die Lebensmittelorganisation übernahmen, begann andere in der Sporthalle bereits mit den Vorbereitungen für die spätere Betreuung durch die DRK-Kräfte. Eine Trennwand wurde heruntergelassen, so der Schlafbereich vom Aufenthaltsbereich getrennt. Liebevoll wurde eine Spielecke für Kinder eingerichtet, denn Kinder sollten nach den ersten Informationen unter den Geflüchteten sein. In Räumen, die sonst für die Sportlehrer zur Verfügung steht, wurde eine kleine Küche mit Vorratslager eingerichtet.
Die ehrenamtlichen DRK-Kräfte agierten wie ein Orchester. Geleitet von DRK-Zugführer Andy Babick, der nicht nur die Verantwortung trug, sondern auch die Aufgabe innehatte, die Dinge auf der Liste an Notwendigkeiten im Auge zu behalten. Auf dieser standen nicht nur Kaffee und Tee kochen, sondern auch Dinge wie Wegweiser auf Deutsch und ukrainisch zu erstellen und anzubringen, sowie im Gesamten eine Test-, Aufnahme- und Registrierungsstrecke einzurichten. Immerhin galt es den ukrainischen Gästen die Orientierung in den unbekannten Räumen so leicht wie möglich zu machen. Neben Toiletten und Duschen wurden auch eine Handy-Lade-Station, ein W-LAN-Hot-Spot, die Registrierungsstation und natürlich auch allgemeine Haus- und Notfallregeln ausgewiesen. Am frühen Abend war die Notunterkunft eingerichtet. Zu ihr gehörte nun auch eine Covid-Teststation. Zu den 22 ehrenamtlichen DRK-Kräften gestellten sich nun auch vier freiwillige Dolmetscher.
Für sie alle begann nun das Warten. Für 18 Uhr war die Ankunft der ukrainischen Flüchtlinge erwartet. Zahlen machten die Runde. Mal sollten drei Hunde und vier Kinder, darunter ein Säugling zu den Geflüchteten zählen, mal waren es andere Zahlen. Hundefutter wurde durch private Spenden bereitgestellt. Immer wieder klingelt das Telefon von Andy Martius, der Verbindung zu Kontaktpersonen hielt, die die mögliche Ankunftszeit in Burg mitteilten. Martius war es auch, der alle Anwesenden immer wieder neue in die Lage einwies, so alle auf dem neuesten Stand hielt und zusätzliche Informationen zu möglichen späteren Fragen seitens der Geflüchteten bekannt gab.
„Die Flüchtlinge sind jetzt in Loburg angekommen“, hießt es um 19 Uhr. Es sollte noch bis 20 Uhr dauern, bis der Bus in der Nähe der Notunterkunft hielt und die Geflüchteten von den Dolmetschern und DRK-Kräften mit einem Lächeln begrüßt wurden. Die Gesichter der zehn Frauen, acht Kinder, zwei Männer samt Hund sprachen ihre eigene Sprache, für die es keinen Übersetzer brauchte. In ihnen konnten alle einen langen und anstrengenden Tag, die Strapazen der Flucht aber auch Erleichterung ablesen. Eine Flucht, deren Ende nun vorläufig die Notunterkunft in der Kreisstadt Burg sein sollte.
Mit den letzten Kräften trugen alle die wenige Habe, die sie von zu Hause hatten mitnehmen können, an die Sporthalle. Noch einmal galt es warten, zuhören, was einer der Dolmetscher erklärte. Um alle zu schützen, musste vor dem Betreten der Sporthalle ein COVID-Schnelltest bei jedem einzelnen durchgeführt werden. Das diese Art Test für die Geflüchteten etwas vollkommen Neues war, zeigte sich an ihren Gesichtern, dem Anfassen ihrer Nasen und den Gesprächen untereinander, aus deren Stimmenlagen die Verwunderung deutlich herauszuhören war. Auf Nachfragen bestätigten einige, dass sie noch nie einen COVID-Test gemacht hatten. Nach dem negativen Testergebnis, das durch die DRK-Helfer in der mobilen Teststation auf englisch für die jeweiligen Personen mitgeteilt wurde, konnten diese die Sporthalle betreten. Noch einmal hießt es für sie: Gepäck abstellen, Pässe herausholen. Mit der Registrierung durch das DRK-Kreisauskunftsbüro, das mit dem DRK-Suchdienst verknüpft ist, fand die anstrengende Flucht ein vorläufiges Ende. „Wir registrieren jeden Einzelnen, um Kontaktnachverfolgungen für Angehörige ermöglichen zu können. Nichts ist für einen Angehörigen, wie in diesem Fall die Männer, die in der Ukraine bleiben mussten, schlimmer, als nicht zu wissen, wo ihre Frauen und Kinder sind. Über unsere Schwestergesellschaft, das Ukrainische Rote Kreuz (URK), können nun Angehörige weltweit nach ihren Liebsten suchen und werden Auskunft über die Registrierung bei uns erhalten. So wissen sie auch Tausende Kilometern entfernt, dass es ihren Angehörigen gut geht“, erklärt Martius die Notwendigkeit der Registrierung. Das dabei auch ein Dolmetscher notwendig war, war dem Umstand geschuldet, dass die ukrainischen Papiere teils in kyrillischer Schrift verfasst waren, aber auch um Nachfragen zu genauen Meldeadressen und Namen zu ermöglichen.
Mit dem Ankommen, dem Abstellen der kleinen Taschen und Koffer wurden auch die Gäste vertraulich. Kleine Gespräche zwischen DRK-Helfern, Dolmetschern und den Angekommenen entstanden während des gemeinsamen beziehend der Feldbetten. Hierzu waren Matratzen, Bettlaken, Kissen und Bettdecken samt Bettbezügen durch den Landkreis Jerichower Land bereitgestellt worden. Für die Kinder bedurfte es nur der englischen Sprache, um zu erfahren, dass sie die Flucht als Abenteuer und Abschied zu gleich empfanden.
Mit dem Einsetzen einer Nachtschicht aus DRK-Betreuern ging der Tag zu Ende.
Für eine Nacht blieben die Geflüchteten in der Notunterkunft, ehe sie am Sonntag auf eigenen Wunsch zu den Abfahrtmöglichkeiten der öffentlichen Verkehrsmittel gebracht wurden. Von dort aus wollten alle nach eigenen Angaben zu Bekannten und Verwandten innerhalb des Bundesgebietes weiterreisen.
Für die ehrenamtlichen Kräfte des DRK-Betreuungsdienstes galt es danach die Notunterkunft für die Ankunft weiterer Frauen, Kinder und Männer aus der Ukraine wiederherzurichten, die Tür der Sporthalle abzuschließen und nach Hause zu fahren.